Historischer Hintergrund
Die Geschichte der äthiopisch-jüdischen Gemeinschaft
Jahrhunderte lang lebten die äthiopischen Juden, die sich selbst „Beta Israel“ (Haus Israels) nennen, in den Bergen von Gondar und träumten dennoch von den Hügeln Jerusalems. Ihre Reise vom Exil zur Erlösung ist gezeichnet von Verfolgung und Gefahr, Leid und Freude, doch sie zeugt zugleich auch vom beispiellosen jüdisch-zionistischen Einsatz.
Die äthiopischen Juden, die von ihren Nachbarn „Falascha“ (Außenseiter) genannt wurden, haben ihren jüdischen Glauben und ihre jüdischen Bräuche seit mehr als 2000 Jahren bewahrt. Sie lebten in der entlegenen Bergregion von Gondar, weit entfernt vom Zugriff der im Land herrschenden Dynastien und der tonangebenden Religionen. Als im 4. Jahrhundert das Christentum immer populärer wurde, waren die äthiopischen Juden in die Bergregion von Gondar geflohen, um Verfolgungen zu entkommen und sich dem Zwangsübertritt zum Christentum zu entziehen. Als Königin Judith im 10. Jahrhundert die Axum-Dynastie entmachtete, verlor das Christentum an Bedeutung im Land. Es folgten 350 Jahre der relativen Ruhe zwischen äthiopischen Juden, Christen und Muslimen. Doch im Jahre 1270 kam wieder ein Nachfahre der Axum-Dynastie an die Macht, so dass die nachfolgenden vier Jahrhunderte von Stammeskriegen und einem Blutvergießen unter den Religionen gekennzeichnet waren. 1624 wurden die jüdischen Kämpfer des Landes von den Äthiopiern besiegt, die die Unterstützung von Portugiesen genossen. Für Juden brach eine lange Zeit der Unterdrückung an, denn sie wurden entweder als Sklaven verkauft oder gezwungen, zum Christentum überzutreten. Ihre Ländereien konfiszierte man, und ihre Schriften und heiligen Bücher wurden verbrannt. Jede Form der Ausübung der jüdischen Religion wurde damals in Äthiopien verboten.
Obwohl die äthiopischen Juden im Verlauf der nachfolgenden Jahrhunderte immer wieder Kontakte zu Entdeckern und Missionaren hatten, blieb diese Gemeinschaft dennoch weitestgehend isoliert. 1908 erkannten die Oberrabbiner aus 45 Ländern im Rahmen einer gemeinschaftlichen Erklärung die äthiopischen Juden auf der Grundlage der Halacha (des jüdischen Religionskodex) an. Dies geht auf das Wirken von Prof. Jacques Faitlovitch zurück, der 1904 nach Gondar gereist war und im Verlauf seines 18-monatigen Aufenthaltes die Bräuche dieser Gemeinschaft studiert hatte.
Mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 entsandte die Jewish Agency Bildungsemissäre nach Äthiopien, um unter den dort lebenden Juden für eine Alijah nach Israel zu werben und sie ferner in Hebräisch und in jüdischen Studien zu unterrichten. Bis zum Jahr 1955 hatte die JA bereits mehrere lokale Schulen sowie ein Lehrerseminar für die Mitglieder von Beta Israel gegründet. Damals begannen die ersten äthiopischen Juden in kleineren Gruppen nach Israel zu kommen.
Seit dem 17. Jahrhundert war es Juden in Äthiopien nicht gestattet, Ländereien zu besitzen. Mitte des 20. Jahrhunderts verschlechterte sich ihre politische Lage, denn man machte sie für die Krisen des Landes verantwortlich. Bei den politischen Unruhen von 1974 kamen annähernd 2.500 Juden ums Leben, und 7.000 weitere wurden obdachlos. 1977 wurde die Situation derart unerträglich für Juden, dass Tausende zu Fuß in den benachbarten Sudan flohen und dort in überfüllten Flüchtlingscamps leben mussten.
Ministerpräsident Menachem Begin setzte sich sofort nach seiner Wahl im Jahre 1977 für die Rettung der äthiopischen Juden ein. Um Ausreisegenehmigungen nach Israel zu erwirken, bot Israel dem damals in Äthiopien herrschenden Diktator Colonel Mengitsu Waffen an. Im August und Dezember 1977 wurden zwei mit Waffen beladene israelische Militärflugzeuge nach Äthiopien geschickt. Nachdem sie die Waffen ausgeladen hatten, nahmen sie für den Rückflug die ersten äthiopischen Juden an Bord. So wurden auf dem Luftweg die erstmals Juden direkt aus Äthiopiens nach Israel geholt – ein wichtiger Präzedenzfall für die spätere Operation „Moses“.
Zu Beginn der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts war es in Äthiopien verboten, Hebräisch zu lernen und die jüdische Religion zu studieren. Die Regierung beschlagnahmte alle hebräischsprachigen Bücher, schloss die lokalen jüdischen Schulen und Synagogen und nahm alle jüdischen Studenten gefangen, die Touristen kontaktierten. Die Oberhäupter der jüdischen Gemeinschaft Äthiopiens, die Kes genannt werden, wurden regelmäßig von den Behörden belästigt, während Juden, die andere Ämter der Gemeinschaft bekleideten, als „zionistische Spione“ verhaftet wurden.
Das Überleben der äthiopischen Juden wurde zudem durch Hunger, beständige Gefahr eines erneuten Krieges, Zwangsmobilisierung im Alter von zwölf Jahren, eine hohe Kindersterblichkeit, schlechte Gesundheitsversorgung und unmenschliche Lebensumstände bedroht. Juden aus aller Welt versuchten, ihre ums Überleben ringenden Geschwister im Sudan und in Äthiopien zu retten.
Operation „Moses“ – Eine dramatische Rettungsaktion
Schon Anfang der Achtzigerjahre unternahm Israel geheim gehaltene Operationen, um Juden aus Äthiopien und aus dem Sudan nach Israel zu schmuggeln. Ende des Jahres 1982 waren bereits 2.500 äthiopische Juden in Israel angesiedelt worden. Im Laufe des Jahres 1983 flohen weitere 1.800 Juden von Äthiopien zu Fuß in den Sudan. Die israelischen Agenten dehnten ihre Aktivitäten aus, indem sie militärische Transportflugzeuge des Typs „Hercules“ einsetzten, um mit jedem Flug 200 Passagiere nach Israel ausfliegen zu können.
Immer mehr Juden flohen zu Fuß aus Äthiopien. Dieser Marsch in den Sudan forderte ca. 4.000 Menschenleben. Doch auch die, die es bis in die Flüchtlingscamps im Sudan schafften, kamen dort in einer sehr schlechten Verfassung an. Der israelischen Regierung wurde klar, dass sie dringend eine großangelegte Rettungsaktion durchführen muss. Am 21. November 1984 begann die Operation „Moses“. Da das diplomatische Verhältnis zu Äthiopien äußerst angespannt war und für eine solche Luftbrücke zudem das Territorium von arabischen Staaten überflogen werden musste, verhängte die Jewish Agency strengste Geheimhaltung über die Operation. Die Flüchtlinge wurden aus den Camps direkt zum Militärflughafen in der Nähe von Khartum gebracht und ohne Zwischenstop nach Israel ausgeflogen. Innerhalb von sechs Wochen – zwischen dem 21. November 1984 und dem 5. Januar 1985 – überführte die Jewish Agency im Rahmen dieser erfolgreichen Luftbrücke 7.000 äthiopische Juden nach Israel.
Doch die Neuigkeiten über die Operation „Moses“ drangen frühzeitig an die Öffentlichkeit, so dass die arabischen Nationen die sudanesische Regierung unter Druck setzten. Sie sollte verhindern, dass äthiopische Juden weiterhin das Territorium des Sudan erreichen können. Damals blieben im Sudan rund 600 Juden zurück. In Äthiopien hielten sich zu dem Zeitpunkt noch zirka 15.000 Juden auf.
In den nachfolgenden fünf Jahren verhinderten politische Konstellationen die Fortsetzung der Rettung der äthiopischen Juden. 1985 initiierte der damalige US-Präsident George Bush (Senior) die weiterführende Operation „Joshua“, mit der die im Sudan zurückgebliebenen 600 Juden nach Israel gebracht werden sollten. Doch er fand auf der anderen Seite keine gesprächsbereiten Verhandlungspartner. Obwohl Tausende von äthiopischen Juden im Zuge dieser Operationen in Sicherheit gebracht worden waren, hatten viele zurückbleiben müssen, so dass zahllose Familien getrennt waren. Da zuerst Kinder und ältere Menschen nach Israel ausgeflogen worden waren, wurden rund 1.600 äthiopische Kinder zu „umstandsbedingten Waisen“, da sie von ihren in Äthiopien zurückgebliebenen Familien getrennt wurden.
Operation „Salomon“ – Eine historische Rettungsmission
Im November 1989 konnte ein Übereinkommen zwischen Äthiopien und Israel ausgehandelt werden. Zwecks der Zusammenführung von Familien wurde gestattet, äthiopische Juden nach Israel zu holen. Nachdem die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt waren, zeigte sich die äthiopische Regierung sogar bereit, mehr Juden aus dem Land ausreisen zu lassen, als ursprünglich im Rahmen der Familienzusammenführung vereinbart worden war.
Zwischen Januar 1990 und Mai 1991 konnten 8.500 äthiopische Juden nach Israel geholt werden. Im Mai 1991 stürzten Rebellen Diktator Mengitsu und hatten Mitte des Jahres bereits die Kontrolle über die Hauptstadt des Landes, Addis Abeba. Durch diese Entwicklungen waren die Aussichten äußerst schlecht, die zurückgebliebenen 14.500 Mitglieder von Beta Israel aus dem Land holen zu können.
Die Jewish Agency for Israel und die israelische Regierung unter Ministerpräsident Yitzhak Shamir waren sich einig, dass sie sofort handeln müssen. Sie organisierten sozusagen aus dem Stegreif eine der massivsten und erstaunlichsten 36-stündigen Rettungsaktionen der Geschichte. Freitag, am 24. Mai 1991 – in 36 Jumbojets und „Hercules“-Flugzeuge. waren die Sitze ausgebaut worden, um eine größtmögliche Zahl von Passagieren transportieren zu können.
Operation „Salomon“ – benannt nach dem König, auf den die Mitglieder von Beta Israel ihre Abstammung zurückführen – endete genauso schnell, wie sie begonnen hatte. Zeit war der kritischste Faktor, denn die bewaffneten Rebellen konnten jeden Augenblick ihre Meinung ändern. Man hatte Angst, dass sie die Mitglieder von Beta Israel als Druckmittel gegen Israel und die USA missbrauchen könnten, um ihre Macht auszubauen.
Juden rund um die Welt feierten das Ende des Shabbat, als sie die erstaunliche Nachricht vernahmen: Innerhalb von nur 36 Stunden hatte die Jewish Agency im Rahmen der Operation „Salomon“ insgesamt 14.310 äthiopische Juden nach Israel in Sicherheit gebracht.
Das Gelingen des modernen Exodus der Operation „Salomon“ demonstrierte die Bedeutung des Staates Israel als sicheren Hafen für Juden in Not, ungeachtet der Tatsache, wo sie leben. Nach Tausenden Jahren des Exils waren die äthiopischen Juden in das Land Zion zurückgekehrt und konnten sich mit ihren Familien vereinen, von denen sie rund ein Jahrzehnt lang getrennt waren. Diese Zusammenführung der Familien war von emotionalen Zeremonien begleitet.
Ausführlicher Augenzeugenbericht von Abba Micha Feldmann, damals Konsul in Äthiopien:
(YouTube) Operation Salomon – Micha Feldmann
Die Rettung der Juden von Quara
Als die Jewish Agency for Israel im Mai 1991 mehr als 14.000 Juden im Zuge der Operation „Salomon“ aus Äthiopien rettete, blieben die Juden von Quara zurück. In ihrer Provinz herrschten Rebellen, so dass sie den Weg nach Addis Abeba nicht antreten konnten. 1992 wurden dann rund 3.500 Juden einer Region in Ober-Quara nach Israel geholt. In Unter-Quara mussten 2.500 Juden zurückbleiben, weil in ihrer Region weiterhin Bürgerkrieg herrschte.
1999 eskalierte der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea, so dass sich die ohnehin schwierige Lage der Juden von Quara weiterhin verschlechterte. Da im Land kein Luftverkehr mit Gondar aufrechterhalten wurde, organisierte die Jewish Agency Busse, um die Juden von Quara nach Addis Abeba zu bringen. Wegen der Überflutungen und der desolaten Straßenverhältnisse hatten die Flüchtlinge eine schwierige Reise zu bewältigen. Dennoch schaffte es die Jewish Agency im Verlauf von 37 Tagen insgesamt 1.388 Juden von Quara nach Israel zu bringen.
Falascha Mura – Heute
Nach der „Operation Salomon“ kamen immer wieder kleinere Wellen von äthiopoischen Einwanderern nach Israel, die sich selbst „Falascha Mura“ nennen. Aus israelischer Sicht sind viele dieser äthiopischen Juden, deren Name „Falasha“ = „Außenseiter“ und „Mura“ = „Maria“ bedeutet, zum Übertritt zum Christentum gezwungen worden. Obwohl sie ihren jüdischen Glauben und ihre jüdische Identität bewahrt haben, hatte man lange Zeit Zweifel an ihrem Judentum. Schließlich entschied die israelische Regierung 2003, dass jeder Äthiopier, der mütterlicherseits eine Verbindung zum Judentum nachweisen kann, auch wenn es schon viele Generationen zurückliegt, zusammen mit seiner Familie nach Israel einwandern darf. Erst im Januar 2005 wurde konkret beschlossen, alle ca. 20.000 in Äthiopien zurückgebliebenden Mitglieder dieser jüdischen Glaubensgemeinschaft im Laufe von drei Jahren nach Israel zu holen.
Ca. 18.000 Falascha Mura wurden zwischen zwischen 2006 und 2008 nach Israel ausgeflogen, dabei wurde auch ein Flug von Ebenezer begleitet und gesponsort. Dann wurde die Ausreise offiziell für beendet erklärt. Erst im Sommer 2009 durften erneut Falascha Mura nach Israel ausreisen. Ebenezer hatte das Privileg, diesen ersten Flug mit 75 Juden zu bezahlen und damit unsere fortwährende Unterstützung überzeugend zu signalisieren.
Heute gibt es in Gondar eine einfache jüdische Schule mit allgemeinen Unterricht und natürlich auch Hebräischer Sprachschulung.
Am 28. August 2013 fand der letzte Gruppenflug mit 400 Personen statt, es sollte mehrere Jahre dauern, bis wieder Gruppen ausgeflogen wurden.
Derzeit (Stand März 2019) befinden sich noch ca. 8.000 Falascha Mura in Äthiopien. Nach fast fünfjähriger Pause sind seit Juni 2017 über 1.300 Falascha Mura in Israel gelandet. Für 2019 hat die Knesset erneut der Einreise von 1000 Falscha Mura zum Zweck der Familienzusammenführung zugestimmt.