Kaliningrad weiht neue Synagoge ein
In Kaliningrad wurde am 8. November, im Vorfeld des 80. Jahrestages der „Pogromnacht“, eine neue Synagoge eingeweiht. Sie wurde an der Stelle der einstigen Großen Königsberger Synagoge aus dem 19. Jahrhundert gebaut, die während der Novemberpogrome 1938 zerstört wurde, mit denen der Holocaust begann.
Seitdem gab es im gesamten Gebiet Kaliningrad kein einziges jüdisches Gebetshaus. Das neue Gebäude wird dem alten maximal nachempfunden. Im Verband jüdischer Gemeinden Russlands hofft man, dass sich die neue Synagoge als eines der wichtigsten geistlichen und kulturellen Zentren der Region etablieren wird.
„Wir lebten ganz in der Nähe der Neuen Synagoge, besuchten sie und die Schule bei ihr“, erzählte Nehama Drober, die die „Kristallnacht“ in Königsberg persönlich erleben musste. „Wir liebten unsere Synagoge. Sie war sehr schön – sowohl von außen als auch von innen. Ich kann mich noch an Feste in ihren Räumlichkeiten erinnern. Es kamen sehr viele Menschen, und wir, Kinder, gingen um die Synagoge mit Fähnchen, und man schenkte uns Bonbons dafür.“
Nach alten Plänen
Die Neue Synagoge wurde anhand vieler historischer Fotos und Grundrisse errichtet. Aber der Bau auf dem historischen Fundament war unmöglich, weil das für die Bauarbeiten bestimmte Grundstück teilweise andere Grenzen aufwies.
„Es ist kleiner: Die rote Linie liegt um 7,5 Meter tiefer. Auf dem Grundstück ist eine neue Straße (Sonnenboulevard) entstanden, und hier liegt jetzt ein Hochspannungskabel zur Kathedrale“, erzählte Natalja Lorens. „Darüber hinaus mussten wir einen Bogen vorsehen, um den Weg zum Wohnhaus aufrechtzuerhalten, in dem einst ein jüdisches Waisenhaus lag. Um die historischen Proportionen der Synagoge einzuhalten, mussten wir sie um zehn Meter niedriger bauen. Natürlich ist sie nicht so groß wie die alte.
Aber äußerlich ähnelt die neue Synagoge der alten sehr: Die Hauptkuppel, die Türme, die dekorativen Elementen der Fassade sind originalgetreu. Aber wegen der neuen Größe musste man auf den „historischen“ roten Ziegelstein verzichten: Das neue Gebäude hat ein Stahlbetonkonstrukt und eine belüfte aufgehängte Fassade aus Marmor und Travertin.
Vereinigung der Gemeinde
Die Neueröffnung der Synagoge in Kaliningrad wurde für die städtische jüdische Gemeinde zu einem großen Ereignis. Denn seit 80 Jahren hatte es hier weder eine Synagoge noch ein jüdisches Gemeindezentrum gegeben. Der Präsident des Judenverbandes Russlands, Alexander Boroda, sagte, dass die neue Synagoge zum geistigen Anziehungspunkt für die Juden werden solle.
„Außerdem kommen sehr viele Touristen aus verschiedenen Ländern nach Kaliningrad, und wir möchten eine positive Atmosphäre für alle schaffen“, so Boroda weiter. „Neben der Synagoge wird hier eine vollwertige Infrastruktur für religiöses und gesellschaftliches Leben entstehen.“
Der Präsident des Judenverbandes zeigte sich überzeugt, dass die neue Synagoge zum Symbol der Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Kaliningrad werden, zugleich aber auch an die Vergangenheit erinnern sollte – „und zwar nicht nur unsere Kirchengänger, sondern alle Menschen, die sich für die Geschichte der damaligen Zeit interessieren. Die Synagoge wurde nicht umsonst zum Jahrestag der ‚Kristallnacht‘ eröffnet – das soll uns helfen, die Öffentlichkeit auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs aufmerksam zu machen, darauf, wozu der Hass zwischen verschiedenen Nationalitäten führen könnte. Und natürlich soll sie das Gedenken an die unschuldigen Opfer der schrecklichen Tragödie verewigen.“
Der Oberrabbiner Russlands, Berel Lazar, nannte seinerseits den Wiederaufbau der Synagoge in Kaliningrad ein Zeichen dafür, dass die Juden sich in Russland zuversichtlich und wohl fühlen. „Es gibt den Respekt und die guten Beziehungen mit unseren Nachbarn. Die Atmosphäre zwischen verschiedenen Nationalitäten ist sehr positiv und die zwischen Vertretern verschiedener Konfessionen ist überhaupt einmalig“, erläuterte der Oberrabbiner. „Das ist ein Zeichen dafür, dass selbst die Juden, die früher ihre Nationalität möglicherweise verheimlichen mussten, sie jetzt offen kundgeben werden und versuchen, möglichst mehr über unsere Geschichte zu erfahren – und vollwertige Mitglieder der Gemeinde werden.“
Ruinen. Gestapo. Wanderzirkus
Die Königsberger Synagoge wurde in der „Kristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 abgebrannt. Es war die Nacht der Judenpogrome, die damals ganz Nazi-Deutschland erfassten. Innerhalb weniger Tagen wurden viele jüdische Gebetshäuser und Läden vernichtet. Viele Juden kamen ums Leben. Die „Kristallnacht“ gilt als Beginn des Holocaust.
„Als die Synagoge ausgebrannt wurde, war ich elf Jahre alt“, erinnerte sich Nehama Drober. „Unsere Nachbarn waren Besitzer eines jüdischen Restaurants. Es wurde in der ‚Kristallnacht‘ vernichtet. Sie waren nach Hause gelaufen, klopften an die Tür und schrien; ‚Die Synagoge brennt!‘ Ich und meine Schwester Riwa rannten zum Fenster und sahen ein riesiges Feuer. Wir standen da und sahen zu, wie sie brannte. Das war schrecklich.“
„Mein Vater war Speditionskaufmann und beschäftigte sich mit Logistik. 1933 verlor er die Arbeit. Seit dieser Zeit konnte er nur an Zwangsarbeiten teilnehmen. Wir durften absolut nichts – deutsche Kinder warfen Steine auf uns, bespuckten uns und schrien: ‚Juden! Juden!‘ Wir hatten Angst, auf die Straße zu gehen“, erinnerte sich die alte Frau.
Die Bauarbeiten an der neuen Synagoge dauerten vier Jahre lang und sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Gebäude wurde noch von der Außenseite ausgestattet – die Innenausstattung steht noch bevor. In beziehungsweise bei der Synagoge gibt es zwei Gebetsräume (für Frauen und für Männer), eine kostenlose Kantine, ein koscheres Restaurant, ein Geschäft, einen Kindergarten und eine Schule, einen Festraum, eine Bibliothek usw.
In der Perspektive soll um die Synagoge ein ganzer Häuserkomplex im Stil des alten Königsbergs entstehen. Unter anderem könnten ein Kultur- und Geschäftszentrum, ein Hotel und ein Restaurant errichtet werden